Wir haben alle in der Schule mit der Hand schreiben gelernt. Und so wenig wir es heute nutzen, versetzt mich die Vorstellung, mich ohne Tastatur nicht mehr schriftlich verständigen zu können, irgend wie in Panik. Habt ihr euch das schon einmal vorgestellt?
Ganz schön schwer! Ein netter Selbstversuch zum Mitmachen.
Wer Kinder um sich hat, weiß, dass man heute in der Schule mit den Druckbuchstaben beginnt und daraus die „verbundene Schreibschrift“ entwickelt. Früher war das umgekehrt.
Die heute gelehrte Lateinische Ausgangsschrift ist eine verbundene Schrift, was heißt, dass fast alle Buchstaben miteinander verbunden werden. Gar keine leichte Aufgabe.
Wer kann das noch? Mal versuchen …

Und? Wie ging es?
So weit so gut. Als Hilfestellung hier mal ein Alphabet.

Wikipedia/Wikimedia Commons
Braucht man das?
Heute wird zum Teil sehr heftig diskutiert, ob eine Schreibschrift überhaupt noch gelehrt werden sollte. Statt dessen eine Druckbuchstabenschrift mit kleinen Häkchen: die Grundschrift.
Fakt ist, dass praktisch alle Menschen als eigene Handschrift eine Mixtur aus verbundenen und nicht verbundenen Buchstaben verwenden und sowohl Buchstaben, die näher an der Druckschrift sind als auch Buchstaben aus der Schreibschrift.
Leichter lernen
Wichtig ist, dass beim Schreiben ein „Fluss“ entsteht, der es zulässt, sich komplett auf die Semantik des Geschrieben und nicht auf das Schreiben selbst zu konzentrieren.
Neurowissenschaftliche Studien aus Hochschulen zeigen, dass das Handschreiben die Merkfähigkeit, das inhaltliche Verständnis und die Kreativität fördert.
So begünstigt das handschriftliche Mitschreiben in Schule und Uni definitiv den Lernerfolg.
Unsere Handschrift – unser Charakter?
Sagt unsere Schrift etwas über uns aus? Graphologie ist ein nettes Gesellschaftsspiel und wurde lange sogar von Unternehmen bei der Bewerberauswahl und bei der Polizei zum Profiling eingesetzt.
Die Graphologie geht davon aus, dass die charakteristische Art einer Person zu schreiben etwas über seine Persönlichkeit aussagt. Dazu werden Merkmale wie Größe, Druck, Richtungen, Neigungen, Verbindungen usw. herangezogen. Um es einfach zu sagen, werden bestimmten Merkmalen bestimmte Eigenschaften zugeordnet. Dazu gibt es Spezialisten, „Graphologen“, und natürlich heute Computerprogramme.
Unumstritten ist das Ganze keineswegs. Wissenschaftlich kann ein Zusammenhang zwischen Schrift und Charakter nicht nachgewiesen werden. Legt man allerdings zusätzlich zur Schriftanalyse einen Lebenslauf und ein oder mehrere persönliche Gespräche zugrunde, so mögen manche Aussagen aus der Schriftbeurteilung erhellend sein.
Wer Freude daran hat, findet auch zu diesem Thema im Internet reiche Beute. „Handschriftendeutung für Anfänger“ heruntergeladen und schon schon ist beim Familienabend der schönste Streit unterm Weihnachtsbaum garantiert.
Ein Abstecher: Handlettering
Wenn wir denn nun schon so weit gekommen sind, schauen wir doch einmal, was wir aus unserer Handschrift machen können, ohne perfekt zu sein.
Handlettering ist der Oberbegriff für das künstlerische Gestalten von Buchstaben. Das kann man mit Anfangsbuchstaben, ganzen Wörtern, Zitaten, guten Wünschen oder auch Ordner-und Kartonbeschriftungen, Marmeladengläsern, Tafeln, Postern uvm. machen. Es geht mit allen Schreibwerkzeugen und auf fast allen Materialien.
Im Gegensatz zur angestrebten Perfektion in der Kalligrafie ist beim Handlettering alles
erlaubt. Bis allerdings aus Kritzeleien nun kleine kreative Kunstwerke entstehen braucht es eine Weile. Auch hier macht Übung den Meister, es sei denn, man findet bei sich ein ausgeprägtes Talent.
Man kann als Basis eine Schreibschrift wählen oder auch einfach die ganz eigene Handschrift nehmen und sie aufpeppen. Mit einer
Kombination aus Schreibschrift und Druckbuchstaben. Mit durcheinandergewirbelter Groß- und Kleinschreibung. Man schreibt bewusst und übertrieben enger oder weiter. Und verziert das Ganze mit grafischen Elementen: Linien, Punkten, Schnörkeln, Umrahmungen.
Wer Spaß daran hat, findet leicht Hunderte von Websites zu dem Thema.
Kalligrafie
Die Kalligrafie nimmt es nun ernster mit der Schönschrift. Sie entstand beim Abschreiben sakraler Texte, damals die einzige Möglichkeit der Vervielfältigung.
Das diese sehr mühsame Arbeit langwierig war, Geduld erforderte und den Gedanken Raum zum Wandern gab, wird Kalligrafie oft als meditativer Akt gesehen. 
In der chinesischen und japanischen Schriftkultur geht es bei der Kalligrafie vor allem darum, Emotionen über die Schrift zum Ausdruck zu bringen. Dabei schlägt Ästhethik die Lesbarkeit.
Mit der Seele schreiben
Das Schlusswort zu diesem Artikel gehört definitiv Heike vom diamantwörter.blog. Sie gehört zu den wahrscheinlich wenigen, die seit langen Jahren regelmäßig mit der Hand schreiben.
„Meine Seele liebt die Geschwindigkeit der Schrift“, schreibt sie mir. Wie wundervoll. Eine Schrift, die so schnell über das Papier fliegt wie die Gedanken und Gefühle fließen. Etwas, um davon zu träumen.
Und sie zeigt, dass diese Verbindung zwischen Kopf und Hand, und Herz und Hand etwas ist, das wahrnehmbare Kreativität und und anfassbare Werke schafft. Mit chinesischer Tusche und Pinsel bringt sie Emotionen aufs Papier.

„Mit der Hand zu schreiben, ist mit der Seele schreiben …“
Lohnt es sich nicht, wieder damit zu beginnen?